Unendliche Weiten, riesige Wälder, glasklare Seen und eisige Winter. Bären, Biber, Bisons und Elche. Ahornsirup, Poutine und jede Menge Fastfood. Mounties, Multikulti und eine parlamentarische Monarchie. Kanada steckt voller Klischees – aber auch voller Überraschungen! Wenn du für ein Auslandsstudium nach Kanada gehst, lohnt es sich, dich vorher mit der Kultur auseinanderzusetzen. Wer die Unterschiede zwischen Heimat- und Gastland schon im Voraus kennt, kann einen möglichen Kulturschock vermeiden und sich schneller einleben!
Lange Zeit wurde Kanada – besonders kulturell – als „kleiner Bruder“ der USA gesehen. Doch für viele Kanadier gibt es kaum etwas Nervigeres, als ständig mit ihren südlichen Nachbarn verglichen zu werden. Tatsächlich hat Kanada historisch mindestens genauso viele, wenn nicht sogar mehr kulturelle Gemeinsamkeiten mit Europa. Kanada ist ein eigenständiges Land mit einer einzigartigen Geschichte und Kultur. Die Kanadier sind stolz auf ihr Land – besonders auf ihr Gesundheits- und Bildungssystem. Diversität, Toleranz und soziale Verantwortung spielen hier eine große Rolle und sind tief in der Gesellschaft verankert.
Eine Nation kulturell zu definieren, ist nie ganz einfach – aber bei Kanada ist es besonders knifflig. Warum? Zum einen ist das Land ein klassisches Einwanderungsland, zum anderen eine noch relativ junge Nation. Hier ist Multikulturalität nicht nur ein Konzept, sondern gelebte Realität – Vielfalt wird gefördert und geschätzt. Durch dieses kulturelle „Mosaik“ ist es gar nicht so leicht, eine eindeutig „typisch kanadische“ Kultur zu bestimmen. Wenn du die Besonderheiten Kanadas wirklich verstehen willst, solltest du dich daher mit den Wurzeln der kanadischen Kultur beschäftigen – sie verraten dir eine Menge über das Land und seine Identität.
Ursprünge der kanadischen Kultur
Kanadas Kultur und Gesellschaft sind so divers und facettenreich, weil sie von ganz unterschiedlichen Ursprüngen und Entwicklungen geprägt wurden. Wichtige Einflüsse kommen aus Frankreich und Großbritannien, von den First Nations und Inuit sowie von Einwanderern aus aller Welt. Und natürlich spielt auch die Popkultur der USA eine Rolle – aber Kanada hat trotzdem seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Mix geschaffen.

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Aus den Kolonialkriegen zwischen Frankreich und Großbritannien in Kanada gingen letztlich die Briten als Sieger hervor. Deshalb gehört Kanada bis heute zum Commonwealth, und Queen Elizabeth (bzw. ihr Nachfolger) ist offiziell das Staatsoberhaupt. Die Provinz Québec entstand aus dem ehemaligen Neufrankreich, und um weitere Konflikte zu vermeiden, gewährte das britische Parlament den Frankokanadiern einige wichtige Rechte: das französische Zivilrecht, freie Religionsausübung und Französisch als offizielle Sprache. Trotzdem blieb das Verhältnis zwischen frankophonen und anglophonen Kanadiern lange angespannt – und ganz verschwunden sind diese Spannungen bis heute nicht.
Entgegen vieler Erwartungen sind die frankophonen Kanadier nicht einfach in der englischsprachigen Mehrheit aufgegangen. Stattdessen haben sie sich aktiv für mehr Unabhängigkeit eingesetzt – besonders in den Bereichen Bildung und Kultur. In Québec ging dieser Wunsch sogar so weit, dass einige Separatisten eine komplette Loslösung von Kanada forderten. Das Ganze erreichte in den 1960er Jahren mit der „Stillen Revolution“ seinen Höhepunkt. Seit 1969 ist Kanada offiziell ein zweisprachiges Land – Englisch und Französisch stehen hier gleichberechtigt nebeneinander.
Kanada ist ein echtes Multikulti-Land! Mittlerweile leben hier über 200 ethnische Gruppen, und es werden mehr als 100 verschiedene Sprachen gesprochen. Schaut man auf die Einwanderungsgeschichte, lässt sich die Bevölkerung grob in vier Hauptgruppen einteilen:
- Die Ureinwohner: First Nations, Inuit und Métis (die Nachfahren französischer und schottischer Pelzhändler, die Beziehungen zu First-Nation-Frauen eingingen). Sie machen insgesamt ca. 3,8 % der Gesamtbevölkerung aus. Nunavut ist das erste kanadische Territorium mit einer mehrheitlich indigenen Bevölkerung.
- Die Anglo- und Frankokanadier, die Nachkommen der Pioniere, Eroberer und Siedler der Gründernationen Frankreich und England.
- Die später eingewanderten europäischen Minderheiten aus Ländern wie Deutschland, Italien, Irland, Niederlanden, Ungarn, der Ukraine oder Polen.
- Die sogenannten „sichtbaren Minderheiten“ (visible minority), die erst seit den 70er Jahren nach Kanada gekommen sind. Mit „visible minority“ definiert die kanadische Regierung Personen, die weder Ureinwohner noch „Caucasian“ (also europäischen Ursprungs), aber auch nicht hellhäutig sind. Der Begriff wird vor allen Dingen als demografische Kategorie von Statistics Canada verwendet.
Kanada ist ein echtes kulturelles Puzzle – mit Wurzeln, die bei den Ureinwohnern beginnen. Die Gesetze und das politische System basieren auf Werten, die einst von Siedlern aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den USA und Skandinavien mitgebracht wurden. Heute bringen Einwanderer aus Ländern wie Indien, den Philippinen und China noch einmal neue Perspektiven in das multikulturelle Gefüge des Landes.
Die Kultur der Ureinwohner hat Kanada nachhaltig geprägt. Viele indigene Wörter, Erfindungen, Konzepte und sogar Spiele sind fest in die kanadische Sprache und Kultur eingegangen. Zahlreiche Orte tragen Namen mit indigenen Wurzeln – sogar „Canada“ selbst stammt aus dem Laurentischen (irokesische Sprachfamilie) und bedeutet „Dorf“ oder „Siedlung“. Die Hauptstadt Ottawa verdankt ihren Namen den Algonquin und bedeutet „Handel treiben“. Doch so groß der Einfluss der First Nations auf die kanadische Kultur auch ist, ihre Geschichte ist auch eine von Unterdrückung. Viele indigene Gemeinschaften kämpfen bis heute um ihre Rechte und sind mit ihrer gesellschaftlichen Stellung in Kanada unzufrieden.
Auf der Suche nach einer kulturellen / nationalen Identität
Kanadier sind definitiv stolz auf ihr Land – aber den starken Patriotismus, den man aus den USA kennt, findet man hier eher selten. Tatsächlich wird in den kanadischen Medien immer wieder heiß diskutiert, ob Kanada überhaupt eine klare kulturelle oder nationale Identität hat.
Ein Grund für diese Unsicherheit? Kanada hat – anders als die USA – keinen starken Gründungsmythos, an dem sich eine einheitliche Nationalkultur festmachen ließe. Stattdessen prägten von Anfang an zwei europäische Einflüsse das Land: die britische und die französische Kultur. Dazu kommen noch die Traditionen der First Nations, der Inuit und der Métis – was Kanada zu einem kulturellen Mix macht, der sich nicht so leicht in eine einzige Identität pressen lässt.
Kanada wurde nicht um eine einzige ethnische Gruppe herum gegründet – deshalb ist es gar nicht so einfach, eine allgemeine kulturelle Identität festzumachen. Trotzdem gibt es einige Dinge, die die Kanadier laut Umfragen verbinden: The Canadian Charter of Rights and Freedoms, das universelle Gesundheitssystem, Eishockey und natürlich der Multikulturalismus. Und ein weiteres großes verbindendes Element? Die beeindruckende nordische Landschaft. Sie gibt Kanada ein Gefühl von Einheit, das in den USA in dieser Form nicht so stark ausgeprägt ist.
Viele ethnische Gruppen in Kanada – abgesehen von den Ureinwohnern – bezeichnen sich oft als „Bindestrich-Kanadier“ (z. B. Anglo-Canadian oder Franco-Canadian). Kanadier zu sein bedeutet für viele, mehr als nur eine Identität zu haben. Der Canada Day am 1. Juli ist zwar ein nationaler Feiertag, aber er hat längst nicht das gleiche Identifikationspotenzial wie der 4. Juli in den USA. Zwar erinnert der Tag an die Gründung Kanadas im Jahr 1867, doch damals wurde das Land noch als Bundesstaat des Commonwealth und nicht als völlig unabhängige Nation geschaffen.
Kanadier definieren ihre kulturelle Identität auch stark durch die Abgrenzung zu den USA. Es gibt kaum etwas Nervigeres für sie, als mit US-Amerikanern „in einen Topf geworfen“ zu werden. Das zeigt sich schon in der Sprache: Während sie ihre Nachbarn als „Americans“ oder „Yanks“ bezeichnen, nennen sie sich selbst ausschließlich „Canadians“ – niemals „Americans“. Typische Kritikpunkte an den USA? Die Todesstrafe in einigen Bundesstaaten, die große soziale Ungleichheit, eine oft aggressive Außenpolitik und – ganz wichtig – das fehlende universelle Gesundheitssystem.
Übrigens: Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Programmen und Einrichtungen der kanadischen Regierung, die kulturelle Besonderheiten fördern und schützen. Ziel ist es, die kanadische Identität weiter zu stärken und eine eigenständige Kultur hervorzuheben – abseits vom Einfluss der USA.
Traditionen, Feiertage und Symbole
In Kanada gibt es sowohl nationale Feiertage als auch viele regionale Feiertage, die nur in bestimmten Provinzen oder Territorien gefeiert werden. Außerdem haben ethnische Minderheiten das Recht, ihre eigenen religiösen Feiertage zu begehen und ihre Traditionen frei auszuleben. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das chinesische Neujahrsfest in Vancouver, das jedes Jahr groß gefeiert wird.
Zu den landesweiten Feiertagen gehören:
- New Year’s Day (1. Januar)
- Good Friday (Karfreitag)
- Canada Day (Nationalfeiertag am 1. Juli)
- Labour Day (erster Montag im September)
- Thanksgiving (zweiter Montag im Oktober)
- Christmas Day (25. Dezember)
Kanada ist mit vielen Symbolen verbunden – aber das bekannteste ist ganz klar das Ahornblatt, das sogar die Nationalflagge ziert. Daneben gibt es noch einige weitere typische Symbole: der Biber, das Canadian Horse, der Elch und natürlich die ikonische Uniform der Royal Canadian Mounted Police (Mounties). Auch die Totempfähle der First Nations und die Inuksuit (Steingebilde der Inuit) gehören dazu – eines davon war übrigens das Logo der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver.
Und wenn es um Sport geht? Eishockey ist der unangefochtene Nationalsport und wird oft einfach „Hockey“ genannt. Offizieller Sommersport ist übrigens Lacrosse, das indigene Wurzeln hat.
Die kanadische Küche ist so vielfältig wie das Land selbst – jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten, stark beeinflusst durch die vielen Einwandererkulturen. Aber wenn es um Nationalgerichte geht, sind sich die meisten Kanadier einig: Poutine (Pommes mit Käse und Bratensoße) aus Québec und das süße Butter Tart-Gebäck haben Kultstatus. Und natürlich darf Ahornsirup nicht fehlen – ein echtes Symbol kanadischer Kulinarik! In den Atlantikprovinzen hingegen schwören die Menschen auf Lobster (Hummer) – für sie gibt es nichts Besseres.

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Merkmale der kanadischen Kultur
Jede Kultur hat bestimmte Eigenheiten, die sie von anderen unterscheiden – und genau diese zu kennen, hilft dir dabei, sie besser zu verstehen. Klar, nicht jedes Merkmal trifft auf alle Kanadier zu, aber ein grober Überblick über die kulturellen Besonderheiten Kanadas kann vor allem für den Start hilfreich sein.
Gerade für deutsche Studierende gibt es in Kanada einige kulturelle Stolperfallen, die man mit etwas Vorbereitung locker umgehen kann. Also: Je besser du dich vorher informierst, desto entspannter wird dein Abenteuer in Kanada!
Lokalpatrioten
Kanada ist eines der dezentralsten Länder der Welt – kein Wunder also, dass sich viele Kanadier stärker mit ihrer Region als mit dem ganzen Land identifizieren. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen sind dabei nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn es um Mentalität und Lebensstil geht.
Die Menschen in den Atlantikprovinzen wie Nova Scotia, New Brunswick, Prince Edward Island und Newfoundland gelten als eher zurückhaltend und traditionell. Im Gegensatz dazu sind die Einwohner von Western Canada, also in Alberta, Manitoba und Saskatchewan, für ihre offene, freundliche und entspannte Art bekannt. Ontario wird oft als konservativer beschrieben, während die Menschen in British Columbia eher unkonventionell und locker sind.
Der wohl größte Unterschied zeigt sich jedoch zwischen den anglophonen und frankophonen Kanadiern. Hier geht es nicht nur um Mentalitätsunterschiede, sondern um wirklich eigenständige Kulturen. Besonders die Québecois legen großen Wert auf ihre regionale Identität und gelten als äußerst regionalistisch. Insgesamt zeigt sich, dass Kanada nicht nur ein Land ist, sondern aus vielen kleinen, kulturell einzigartigen Regionen besteht.
Die regional verankerte Kultur spielt für viele Kanadier eine zentrale Rolle in ihrer Identität. So ist Cape Breton Island stark von schottisch-gälischen Traditionen geprägt, während Calgary als Kanadas „Cowboy Capital“ bekannt ist und ein ganz eigenes Western-Flair versprüht. Diese kulturellen Wurzeln zeigen sich auch in den regionalen Feiertagen. In Neufundland und Labrador wird beispielsweise St. Patrick’s Day gefeiert, während Québec mit der Journée nationale des patriotes an seine eigene Geschichte erinnert. In den Nordwest-Territorien hingegen ist der National Aboriginal Day ein offizieller Feiertag, der die indigenen Kulturen des Landes würdigt.
Das kanadische „Mosaik“: Offiziell multikulturell!
Kanada hat früh erkannt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Unabhängigkeit von den USA stark von einer offenen Einwanderungspolitik abhängen. Gut ausgebildete Menschen aus aller Welt werden gezielt ermutigt, in Kanada ein neues Leben zu beginnen und so zum Fortschritt des Landes beizutragen. Durch mehrere Einwanderungswellen seit seiner Gründung hat sich Kanada zu einem der kulturell vielfältigsten Länder der Welt entwickelt. Besonders seit den 1970er Jahren, als vermehrt auch Menschen aus nichteuropäischen Kulturen ins Land kamen, stellte sich die Frage, wie diese große Diversität am besten gestaltet werden kann, um gesellschaftliche Konflikte zu vermeiden.
Kanada hat hier einen ganz eigenen Weg eingeschlagen: Seit 1971 ist Kanada offiziell multikulturell und der Multikulturalismus ist seit 1982 in der Canadian Charter of Rights and Freedoms gesetzlich verankert. Das heißt:
- Ethnische und kulturelle Vielfalt wird als positiv und bereichernd eingeschätzt.
- Kulturelle Differenz ist ein Recht: Alle Menschen dürfen ihre kulturellen Besonderheiten beibehalten und pflegen.
- Toleranz und Gleichwertigkeit: Alle Kulturen sind gleichwertig.
Der 27. Juni ist der Canadian Multiculturalism Day.
Während die USA als „Melting Pot“ – also als Schmelztiegel der Kulturen – gelten, sieht sich Kanada eher als ein kulturelles Mosaik. Hier verschmelzen verschiedene Kulturen nicht zu einer neuen Einheit, sondern existieren gleichberechtigt nebeneinander. Das kanadische Prinzip lautet „Integration statt Assimilation“. In den USA stehen Einwanderer oft unter dem Druck, sich möglichst schnell anzupassen und ihre ursprüngliche kulturelle Identität in den Hintergrund zu rücken. In Kanada läuft das anders: Einwanderer sollen sich in die Gesellschaft integrieren, dürfen aber gleichzeitig ihre kulturellen Wurzeln bewahren und pflegen. Viele eingebürgerte Kanadier bezeichnen sich daher als „Bindestrich-Kanadier“. Für Kanadier ist es völlig normal, mehr als eine Identität zu haben. Sie sind stolz darauf, Kanadier zu sein, aber ebenso auf ihre ethnischen Wurzeln, die sie oft weit zurückverfolgen können. Dieses Gleichgewicht zwischen Zugehörigkeit und kultureller Vielfalt macht Kanada zu einem einzigartigen Einwanderungsland.
Individualisten mit Gemeinschaftssinn
Kanadier gelten als ausgeprägte Individualisten. In einer individualistischen Gesellschaft steht das Individuum über der Gruppe – das bedeutet, dass sich Kanadier in erster Linie um sich selbst und ihre engste Familie kümmern. Andere soziale Beziehungen sind oft lockerer, und jeder ist grundsätzlich für sich selbst verantwortlich. Auch zählt die persönliche Leistung mehr als die Herkunft. Wenn du hart arbeitest und etwas erreichst, wirst du dafür anerkannt – unabhängig von deinem familiären Hintergrund.
Trotz ihres starken Individualismus sind Kanadier gleichzeitig sehr gemeinschaftsorientiert. Sie glauben daran, dass jeder eine persönliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hat. Lebensqualität und Empathie stehen hoch im Kurs, und ehrenamtliches Engagement ist fester Bestandteil des sozialen Lebens. Auch Nachbarschaftshilfe ist für viele ganz selbstverständlich.
Zwar streben Kanadier nach hohen Leistungen in allen Bereichen, aber die Work-Life-Balance hat einen besonders hohen Stellenwert. Anders als in den USA stehen Erfolg, Leistung und Gewinnen nicht an oberster Stelle – der Mensch selbst soll nicht zu kurz kommen. Statt sich nur über Arbeit zu definieren, legen Kanadier Wert darauf, ihr Leben auch außerhalb des Jobs zu genießen.
Höflich aber meist direkt: Das Kommunikationsverhalten der Kanadier
Genau wie Deutschland gehört Kanada zu den Low-Context-Kulturen. Das bedeutet, dass du in Gesprächen normalerweise genau das hörst, was gemeint ist – ohne versteckte Botschaften zwischen den Zeilen, die erst durch Anspielungen, Gestik oder Mimik entschlüsselt werden müssen. Das macht die Verständigung zwischen Deutschen und Kanadiern ziemlich einfach. Allerdings solltest du aufpassen, wenn es um Kritik oder negative Aussagen geht. Während in Deutschland eine direkte Ansprache oft als ehrlich und effizient gilt, sind Kanadier hier viel zurückhaltender und höflicher. Kritik wird meist diplomatisch verpackt – wenn du zu direkt bist, kann das schnell als unhöflich oder unangenehm empfunden werden.
Understatement und Fingerspitzengefühl spielen eine große Rolle im kanadischen Kommunikationsstil. Offene Kritik kann schnell als zu direkt oder sogar verletzend empfunden werden. Kanadier vermeiden es daher, laut zu diskutieren, um die Harmonie nicht zu stören.
Auch beim Smalltalk solltest du darauf achten, nicht zu tiefgründig zu werden. Während Deutsche oft direkt zur Sache kommen und sich auf das Wesentliche konzentrieren, geht es Kanadiern zunächst darum, eine lockere und angenehme Atmosphäre zu schaffen. Dabei sind sie generell offener für persönliche Gesprächsthemen – allerdings haben sie einfach eine andere Vorstellung davon, was „persönlich“ ist. Falls dir ein Kanadier beim ersten Treffen viel von sich erzählt, solltest du das nicht überbewerten oder als Einladung zu einer engen Freundschaft verstehen. Das hat nichts mit Oberflächlichkeit zu tun, sondern vielmehr mit dem Wunsch, durch Smalltalk eine entspannte und freundliche Gesprächsatmosphäre herzustellen.
Das mit Abstand beliebteste Smalltalk-Thema in Kanada ist das Wetter – kein Wunder, denn bei den teils extremen Bedingungen gibt es immer etwas zu erzählen. Manche Wettermoderatoren haben hier sogar Promistatus! Auch Arbeit und Beruf, Reisen, Eishockey, die kanadische Natur sowie bekannte kanadische Schriftsteller, Schauspieler oder Musiker sind immer gute Gesprächsthemen. Kanadier sind nämlich ziemlich stolz auf ihre kulturellen Ikonen.
Es gibt aber auch Themen, die du beim Smalltalk lieber meiden solltest. Politik – insbesondere die Spannungen zwischen anglophonen und frankophonen Kanadiern oder die Situation der Ureinwohner – ist heikel. Auch Religion, Sex, Krankheiten oder Körpergewicht gehören nicht in eine lockere Unterhaltung. In Kanada wird außerdem Political Correctness großgeschrieben, weshalb Themen wie soziale Klassen oder Diskriminierung sehr sensibel behandelt werden. Wenn du also entspannt plaudern willst, halte dich lieber an unverfängliche Themen – das Wetter geht immer!
Der E-Mail-Verkehr in Kanada unterscheidet sich stark vom persönlichen Kontakt. Während Kanadier im Gespräch viel Wert auf Höflichkeit und Smalltalk legen, sind sie in E-Mails kurz und direkt. Oft wird sogar die Anrede weggelassen – etwas, das in Deutschland schnell unhöflich wirken könnte. Auch Floskeln oder höfliche Einleitungen sind eher selten, da sie als unnötig oder zeitraubend empfunden werden. Wenn du also eine kanadische E-Mail bekommst, die sehr knapp formuliert ist, solltest du das nicht persönlich nehmen – es ist einfach die übliche Art zu schreiben.
Risikofreudig, kurzfristig orientiert und lebensfroh
Es ist kein Geheimnis: Deutsche lieben Regeln und Bürokratie. Für alles gibt es eine Vorschrift, wichtige Entscheidungen werden nur mit Experten getroffen, und jedes Detail wird akribisch durchgeplant. Sicherheit und klare Strukturen stehen an erster Stelle. In Kanada läuft das ganz anders. Hier wird Flexibilität großgeschrieben – neue Ideen werden schnell akzeptiert, die Kommunikation ist oft formloser, und Innovationen haben es leichter. Anstatt sich lange abzusichern, setzen Kanadier lieber auf schnelle Entscheidungen und pragmatische Lösungen. Risikofreude statt Bürokratie – das ist der kanadische Ansatz.
Fleiß, Sparsamkeit und Disziplin sind in Deutschland tief verwurzelte Werte. Hier wird langfristig gedacht: Ziele werden über Jahre hinweg beharrlich verfolgt, und selbst Traditionen oder Wahrheitskonzepte werden pragmatisch an neue Gegebenheiten angepasst, wenn es nötig ist. In Kanada sieht das ganz anders aus. Ähnlich wie in den USA liegt der Fokus stark auf dem Hier und Jetzt. Es geht darum, kurzfristige Ziele schnell und effizient zu erreichen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Statt sich strikt an detaillierte Regeln und Standards zu halten, orientieren sich Kanadier lieber an bewährten Prinzipien, Traditionen und einem gemeinsamen Verständnis von Wahrheit. Spontanität und Anpassungsfähigkeit stehen hier oft über langfristiger Planung.

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Internationale Studierende schwärmen in ihren Erfahrungsberichten nicht nur von der Höflichkeit und Freundlichkeit der Kanadier, sondern auch von ihrem lockeren Umgang miteinander und ihrer positiven Lebenseinstellung. Tatsächlich zählt Kanada – anders als Deutschland – zu den sogenannten „nachsichtigen“ Kulturen. Freizeit und persönliches Vergnügen haben hier einen hohen Stellenwert, und die Kanadier sind bereit, dafür auch Geld auszugeben. Die Devise lautet: Arbeiten, um zu leben – nicht umgekehrt. Der zwischenmenschliche Kontakt ist viel entspannter und kameradschaftlicher als in Deutschland. Das wirst du spätestens in deinem Studienalltag und in den Lehrveranstaltungen feststellen!
Verhaltenstipps für Kanada
Zwischen Deutschland und Kanada mag es viele kulturelle Überschneidungen geben – trotzdem kannst du während deines Studiums in Kanada (sei es im Auslandssemester oder im Bachelor- oder Masterstudium) durchaus in das ein oder andere Fettnäpfchen treten. Das gehört sicherlich immer dazu und sollte dich nicht abschrecken. Mit ein paar Verhaltenstipps im Voraus wirst du bestimmt den ein oder anderen kulturellen Ausrutscher umgehen können!
Die häufigste Begrüßung in Kanada ist das Händeschütteln – am besten mit einem festen Händedruck und einem freundlichen Lächeln. In Québec ist es dagegen üblich, sich mit einem Wangenkuss (einmal links, einmal rechts) zu begrüßen. In Québec ist zur Begrüßung der Wangenkuss (einer links einer rechts) üblich. Zwar neigen Kanadier dazu, sich schnell mit dem Vornamen anzusprechen, aber du solltest damit warten, bis es dir angeboten wird – besonders gegenüber älteren oder ranghöheren Personen. Das Gleiche gilt im französischsprachigen Teil des Landes für das Duzen („tu“ statt „vous“) – erst abwarten, ob es angeboten wird. Ein echter Klassiker unter den Begrüßungen ist „How are you?“ – aber Achtung: Das ist nur eine Floskel und keine Einladung, deinem Gegenüber ausführlich vom deinem stressigen Tag oder anderen Sorgen zu erzählen! Ein einfaches „Good, thanks!“ reicht völlig aus.
Kanadier lieben Potlucks – das sind Partys, bei denen jeder etwas zu essen und zu trinken mitbringt. Eine entspannte und gesellige Art, zusammenzukommen und verschiedene Gerichte zu probieren. Wenn du irgendwo BYOB siehst – „Bring Your Own Bottle“ – bedeutet das, dass du deine eigenen alkoholischen Getränke mitbringen kannst. Das steht häufig an kleineren oder günstigeren Restaurants, die keine Alkohollizenz haben, aber ihren Gästen erlauben, ihren eigenen Wein oder ihr Bier mitzubringen.
Dos and Don’ts
Dos | Don’ts |
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Höflichkeit und Freundlichkeit, z.B. sich nach der Busfahrt beim Fahrer bedanken | Fragen nach der „wirklichen“ Nationalität bei nicht europäisch aussehenden Kanadiern |
Nicht drängeln und immer hinten anstellen | Kein Trinkgeld geben |
Viel und gerne smalltalken | Kanadier mit US-Amerikanern vergleichen |
Unaufgefordert die Schuhe ausziehen bevor man das Haus / die Wohnung betritt | Rassistische oder sexistische Witze erzählen |
Im Gespräch auf Augenkontakt achten | Kritik am kanadischen Gesundheitssystem oder der Umweltpolitik |
Kritik stets auf indirekte und nette Art äußern | Alkohol in der Öffentlichkeit trinken |
Eine Armlänge Abstand halten und die Privatsphäre respektieren | Unpünktlichkeit |